Mit Urteil vom 01.07.2021 (I ZR 137/21) hat der Bundesgerichtshof die Regelungen zur Beweislastverteilung im Wettbewerbsprozess bezüglich des Mitbewerberschutzes konkretisiert und bekräftigt. Wirft ein Her­stel­ler einem an­de­ren die un­lau­te­re Nach­ah­mung eines ei­ge­nen Pro­dukts vor, muss er die an­spruchs­be­grün­den­den Tat­sa­chen dar­le­gen und be­wei­sen, also zu­nächst die wett­be­werb­li­chen Ei­gen­ar­ten sei­nes Pro­dukts genau be­schrei­ben. Die Er­schüt­te­rung die­ser Tat­sa­chen ob­liegt dann grund­sätz­lich dem Kon­kur­ren­ten. Steht aber außer Zwei­fel, dass der Klä­ger selbst das­sel­be Pro­dukt unter einem Zweit­kenn­zei­chen ver­treibt, trifft ihn laut Bun­des­ge­richts­hof eine se­kun­dä­re Dar­le­gungs­last hin­sicht­lich des­sen Markt­be­deu­tung.

Unlautere Nachahmung einer Pressstempelkanne?

Eine Firma aus der Schweiz stellt seit mehreren Jahrzehnten unter dem Namen „Chambord“ einen Kaffeebereiter in Form einer Pressstempelkanne her. In den Jahren 2005 und 2009 vertrieb sie eine identisch gestaltete Kanne unter der Zweitmarke „Melior“ über zwei Lebensmittelketten in Deutschland. 2017 bot ein Konkurrent auf ihrer Website als Herstellerin einen eigenen ähnlichen Kaffeebereiter an. Nach erfolgloser Abmahnung klagte die schweizerische Firma auf Unterlassen des Vertriebs ihrer Kaffeekanne und beriefen sich dabei auf das wettbewerbliche Verbot der Herkunftstäuschung. Im Prozess beschrieb sie ihre Kanne dem Gericht gegenüber genau. Allerdings bestritt die Gegenseite im Hinblick auf den Vertrieb unter dem Zweitkennzeichen „Melior“ die wettbewerbliche Eigenart des Produkts. Zur Marktbedeutung dieser Zweitmarke konnte sie allerdings mangels Einblick in die Geschäftsunterlagen der AG nicht substanziiert vortragen. Sowohl das Landgericht als auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main gaben der Klage statt. Die Kontrahentin wandte sich nun an den Bundesgerichtshof – mit Erfolg.

Beweislastverteilung im Prozess

Der I. Zivilsenat bekräftigte die Regeln der Beweislastverteilung: Grundsätzlich muss die Klägerin alle Tatbestandsvoraussetzungen von § 4 Nr. 3 UWG darlegen und beweisen. Die Aktiengesellschaft müsse also die wettbewerblichen Eigenarten ihres Produkts genau beschreiben und die Kanne dem Gericht auch als Beweisstück übergeben. Wenn der Beklagte dann die wettbewerbliche Eigenart der Kanne erschüttern wolle, liege die Beweislast bei ihm. Allerdings trifft das eidgenössische Unternehmen laut den Karlsruher Richtern – entgegen der Ansicht des OLG Frankfurt – eine sekundäre Beweislast, wenn der Vertrieb der Kanne unter der Zweitmarke „Melior“ an sich außer Frage steht und die Beklagten aus eigener Anschauung nicht zu deren Marktbedeutung vortragen können. Sie müsse zu dem konkreten Umsatz unter dem Namen „Melior“ vortragen, so dass deren Marktbedeutung offenbar werde.

Maßgeblicher Zeitpunkt ist die Markteinführung – nicht die gerichtliche Entscheidung

Der BGH bemängelte auch, dass das OLG für den Verstoß auf den Zeitpunkt seiner Entscheidung abgestellt hatte. Maßgeblich für die Frage, ob ein Wettbewerbsverstoß vorlag, sei der Zeitpunkt der Markteinführung des behaupteten Nachahmerprodukts gewesen. Nur für diesen Augenblick sei zu beurteilen, ob die wettbewerbliche Eigenart der Pressstempelkanne gegeben war oder nicht. Da das Berufungsgericht diesbezüglich gar keine Feststellungen getroffen hatte, war das Urteil aufzuheben und an das OLG zurückzuverweisen. Der I. Zivilsenat bezweifelte auch das Vorliegen einer Herkunftstäuschung nach § 4 Nr. 3a UWG, weil sowohl die Internetseite als auch die Verpackung der Kanne  jeweils die Beklagte als Herstellerin auswies.